Holy Moly. Was haben wir eigentlich getan? Es ist der 7. Dezember 2023 und ich komme aus einem Teammeeting. Mir wird ja oft gesagt, dass wir mutig sind und andere sich sowas nicht trauen. Aber so wirklich mutig finde ich das nicht.
Bis Dato war ich auch wirklich entspannt. Fast zu entspannt. Ich sage ja… wir sind nicht mutig. Höchstens etwas Naiv. 🤪
Ihr habt viele Fragen und heute antworte ich drauf. Also lass die Spiele beginnen, oder lass uns mit Fragen jonglieren.
Vorweg: Danke, für all eure Fragen. Und nun los.
Ja und Nein.
Aber lass mich mal von vorn anfangen. Warum machen wir das eigentlich, wie kam es dazu?
Alles begann im Jahr 2013. Jaaaaa… 2013. Da kamen wir zusammen. Die Jahre davor mochten wir und nicht wirklich. Zumindest ich ihn nicht. Wir arbeiteten zusammen in einer Eventagentur und Alex war der aufgepumpte Weiberheld. Ich hab nie verstanden, wieso die Mädels auf ihn abgefahren sind. 😂 Ich fand ihn doof und wechselte öfter die Straßenseite, wenn er mir entgegenkam. War er bei mir eingeteilt, dann musste er woanders hin. Nein… Arbeiten wollte ich mit ihm auch nicht. Meine Abneigung war echt groß und jetzt, wo ich dir Worte schreibe, muss ich schmunzeln.
Bald sind wir 10 Jahre verheiratet und heute würde ich ihn nicht mehr eintauschen. Wie sagen meine Freundinnen immer? „Jede Frau braucht einen Alex.“ Ja… ich wünsche jeder Frau einen Alex.
Das Schicksal, Universum oder wer auch immer an den Fäden gezogen hat: Gut gemacht. Fettes Danke. 😅
Der Freund einer damalig guten Freundin wurde 30 Jahre und wünschte sich eine Schwalbe. Ok. Damals war Facebook noch der heiße Shit und wurde von StudiVZ abgelöst. (Oder eher? Keine Ahnung… Aber kennst DU StudiVZ noch? Crazy. 😅 Das ist gefühlt erst gestern gewesen.)
Hin wie her…Wir haben einen Aufruf auf Facebook gestartet und mir wurde Alex sein Profil geschickt. Er hatte einen Spitznamen angegeben und ich habe ihn auf dem Foto auch nicht mehr erkannt. Er war nicht mehr aufgepumpt, trug einen mega langen Bart und den Chatverlauf will heute definitiv keiner Lesen. Es war sooo lustig. Ok. Doch… Eigentlich musst Du ihn lesen. Vielleicht finde ich ihn noch einmal. Ich habe damals alles gespeichert.
Naja… wir haben uns also nicht mehr erkannt. Dazwischen lagen knapp 6 Jahre.
Ok. Jedenfalls haben wir uns verabredet. Haha. Ich habe heute noch seinen Blick vor Augen, als er mich sah. Wir hatten uns an seiner Garage verabredet und meine Freundin war mal wieder viel zu spät dran. Also bin ich schon allein hin und … was soll ich sagen? Wir haben uns gesehen und ich wusste nicht, wer als Erstes im Strahl kotzen wird. Dann haben wir erst gecheckt, wer hinter dem Profil war. Anmerken wollte es sich niemand lassen. Schließlich wollte er die Schwalbe verkaufen und ich einen guten Deal.
Naja… Die Schwalbe war super. Haben wir genommen.
Long Story short: Ich hab die Schwalbe und Alex bekommen. 🤭 Alex ist 8 Wochen später bei mir eingezogen, 3 Monate später war ich schwanger und 3 Jahre später haben wir geheiratet. Nun haben wir 3 Kinder. Und ich würde ihn auch nicht mehr hergeben. Zumindest so schnell nicht.
Wir wollten damals schon weg. Die unerwartete Schwangerschaft hat unsere Ansicht aber gespalten. Am Ende haben wir mein Elternhaus gekauft, es ausgebaut und wohnen nun seit fast 10 Jahren hier.#
Tja… ich fühle mich eingeengt. Bin gelangweilt. Alex und ich haben immer wieder philosophiert, aber ich glaube einfach, dass wir nie so richtig den Arsch in der Hose hatten. Und mal ganz ehrlich. Ich verstehe viele Menschen, die davon träumen, aber nicht wissen, wie. Ich bin ehrlich. Hier ist uns die Entscheidung jetzt einfach leichter gefallen, weil gewisse Faktoren passen. Darunter mein Online Business. Natürlich machen wir auch Gewinn beim Verkauf. Das wollen wir aber tatsächlich nicht großartig anfassen. Schließlich wollen wir irgendwo eine neue Base. Aber wie gesagt: ohne das Online Business wäre es auch nicht wirklich möglich bzw. wüsste ich nicht, ob wir einfach gehen würden.
Ok. Weiter… Mitten in der Pandemie entschieden wir uns. 2022 hatten wir einen Makler da. Dieser machte uns aber keine großen Hoffnungen und wir sollten es uns überlegen. Zusätzlich wurde Alex seine Mama sehr krank und wir wussten nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Sie hatte Demenz und genau zu diesem Zeitpunkt wurde es immer schlimmer. Wir wollten nicht, dass sie uns so schnell vergisst und haben uns entschieden: wir bleiben. Solange, sie uns erkennt und wir wollen noch viel Zeit mit ihr verbringen.
Im März 2023 sagte seine Mum zu mir: „Es ist ok. Ich würde es auch machen, wenn ich könnte.“
Eines Abends saßen wir draußen und philosophieren. Das können wir übrigens auch fantastisch. Liebe ich. Macht mit ihm besonders viel Spaß. Das Philosophieren.
Wir saßen also draußen und sprachen übers reisen. Welches Land uns besonders zieht, wo wir absolut nicht hin wollen und wie es wäre… wenn wir reisen. Was wir sehen wollen und was die Kids unbedingt erleben müssen. Und natürlich, was wir essen wollen. Wir lieben alle das Essen. Gutes Essen.
Naja. Dann stellte er mir die Frage, welche er mir immer stellt: „Was ist das Schlimmste, was passieren kann?“
Ich: „Das wir zurückkommen und die Menschen über uns lachen.“
Alex: „Als, wenn dich das interessiert. Jetzt überlege mal, was ist das Schlimmste, was passieren kann?“
Ich: „Das wir wieder hier sind. Nur ohne Haus.“
Alex: „Ok. Also ist es nicht schlimm:“
Ich: „Nein. Finden was Neues.“
Alex: „Ok. Und warum machen wir es nicht? Fühlt sich die Vorstellung geil an?“
Ich: „Aber wie. Mein Herz hüpft, der Bauch wird warm und die Bilder in meinem Kopf sind grandios.“
Alex: „Ok. Dann verkauf unser Haus. Stell es rein. Vielleicht will es auch niemand haben.“
….
Also haben wir uns entschieden. Im April stand fest: wir verkaufen und reisen. Und mal ehrlich. Uns haben alle ausgelacht. Wir wohnen im tiefsten Osten, das Haus ist alt und jeder sagte: „Das wird dauern. Viel Glück“
Pfff…. Ihr kennt mich. Ich hab genau beschrieben, wen ich hier haben will. Ich habe auch das Haus nicht inseriert. Wir wohnen hier auf einem Dorf. Zu unserem Glück tratschen und Schacken die Menschen hier gern. Daher hat sich auch schnell herumgesprochen: „Hast du schon gehört? Die verkaufen ihr Haus und wollen reisen. Wie verantwortungslos. Das geht doch nach hinten los.“ Klar… nicht alle finden es toll. Aber … mir egal.
Also ein dickes Danke an all die Menschen, die unseren Plan fleißig kommentiert und verbreitet haben.. Somit haben wir im Juni die passende Käuferin gefunden. 11 Bewerber hatten wir. Im August ging es zum Notar. Und nun sitze ich hier und alles ist in Sack und Tüten.
Nur leider können wir Alex seiner Mum nichts mehr erzählen. Sie ist friedlich eingeschlafen und deshalb gehen wir jetzt offiziell am 1.Feburar 2024. Wir holen die Kids von der Zeugnisausgabe. Fahren bei meiner besten Freundin Mittagessen. Verabschieden uns. Und düsen in den Süden.
Wohin? Kein Plan. Entscheiden wir auf der Fahrt.
So ist der Plan. Bis jetzt. Du weißt, nichts ist in Stein gemeißelt. Alles kann sich noch ändern… Vielleicht landen wir auch ganz woanders.
Vorweg: hätten die Kids keine Lust drauf gehabt und wären lieber hier geblieben, dann wäre das nicht möglich. Aber sie feiern es und zählen die Tage.
Klar, sie haben Freunde. Aber noch keine Wurzeln geschlagen. Sie freuen sich sehr. Und ich muss auch dazu sagen, dass sie nie Bock auf den Kindergarten und Schule hatten. Es war immer ein Drama. In die Schule gehen sie nur, weil ich ihnen erklärt habe: hier herrscht Schulpflicht. Sie müssen. Und, weil sie die Tage zählen können.
Tilman erzählt mir jeden Tag, dass er nur mir zur Liebe dorthin geht. Naja… Ist ein fetter Liebesbeweis, wenn man bedenkt: er fühlt sich nicht wohl. Er findet es zu laut. Viele Kinder prügeln sich. Stehen im Unterricht einfach auf und seien wir mal ehrlich: Viele Kinder sind einfach respektlos. Da brauchen wir kein X vors O zu machen. Er sucht sich sein Umfeld gern aus. Beide sind sehr aufgeschlossen, aber nur zu den Menschen, die ihnen mit Respekt begegnen.
Ich verstehe ihn. Auf der anderen Seite genießt er aber auch die Zeit mit seinen Freunden. Es ist nicht so, dass er keinen Spaß hat. Den hat er. Nur findet er viele Menschen einfach nicht toll.
Naja und Lewi? Er findet es nicht schlecht. Im Gegensatz zu anderen Kindern muss er auch nicht lernen. Ihm fliegt alles zu und auch sonst ist er eher der sympathische Typ. Er weiß genau, wie er mit Menschen sprechen muss, damit sie nach seiner Pfeife tanzen. Für ihn ist es ein Spiel.
Ich merke aber auch, wie sie sich verändern und was sie zu Hause erzählen. Wie krass der Einfluss der Lehrer ist….
Mein großes Warum. Ich mag unser Schulsystem nicht. Absolut nicht. Und bin auch definitiv die Mama, die den Lehrern sowas von auf den Sack geht. Ich bin die, die ständig hinterfragt. Ich bin der Lehrerschreck. Und ich glaube, dass sie auch froh sind, wenn wir weg sind. *lach
Würden wir hier bleiben, dann wäre ich die Mama, von der ein Bild am Eingang hängt: „betreten verboten“ 😂 Ja.. Etwas überzogen. Ich dürfte ja schon ein spannendes Projekt mitgestalten. Nicht alle Lehrer sind schlecht. Einige sind nur dafür nicht geschaffen oder haben einfach kein Bock.
Hin wie her. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Kinder weiterhin das Schulsystem besuchen und glatt geschliffen werden. Ich will die Kiddos aus der Schule haben. Das habe ich Alex auch gesagt. Und es ist einfach so: wir sind meist einer Meinung. Wir sind uns sehr ähnlich.
mein Fernweh. Ich liebe es, andere Menschen kennenzulernen. In Kulturen einzutauchen und das Essen. Ich bin früher gern gereist und will es meinen Kindern zeigen. Sie sollen die Welt sehen und das nicht nur ein paar Tage. (Mit 4 Hunden kannst du nicht wochenlang weg sein. Und außerdem ist reisen, für ein paar Tage super anstrengend. Du schleppst so oder so alles mit)
Ich will Zeit mit ihnen. Sie werden so schnell groß und ich hab bei Lewi schon das Gefühl, dass ich sehr viel verpasst habe. Aber das Gefühl habe nicht nur ich. Alex auch. Die Zeit kann uns niemand mehr wiedergeben. Sie ist einfach weg. Verpufft. Schwupp sind sie groß und gehen ihre eigenen Wege. Bis dahin will ich jede Minute aufsaugen. Genießen. Ich will viele Marmeladenglas-Momente. Und Ich will ihnen sooo viel zeigen. Mich hat es geformt.
Und das wird bei den Kids genauso sein. Jeder Mensch, jede Situation, jede Kultur… es wird sie formen und ich bin so super gespannt, wie sie sich entwickeln werden. Ob es gut für sie sein wird? Keine Ahnung. Ich weiß nur… hier ist es sich nicht so prall.
UND ich will das Meer rauschen hören. Ich will all die wunderschönen Städtchen, Dörfchen und Menschen da draußen kennenlernen. Darauf freue ich mich. Gespräche. Ansichten. Feiern. Kulturen. Treiben lasse. Andere zu inspirieren und ein Vorbild zu sein.
Klartext: Auch im Urlaub kannst du das alles haben. Nur wird es im Cluburlaub sehr schwer werden. Geh raus, sprich mit Menschen und lerne von ihnen.
Wir wissen nicht, wo wir wohnen wollen. Wir wissen nur, dass es hier nicht ist. Auch ein Punkt, warum sich alle für das Reisen entschiede haben.
Alex will hoch in den Norden. Tilman will ins Warme und dorthin, wo er Angeln kann. Außerdem will er das Meer studieren. Er liebt das Meer.
Lewi will essen. Er will dorthin, wo es das beste Essen gibt und die Menschen schön gekleidet sind. Das ist sein Ding. Er drückt sich durch seine Kleidung aus. Kocht gerne und will von den besten lernen. Also muss er raus… auf die Dörfer. Zum Ursprung. Zumindest, was das Essen angeht. Da sind wir beide uns auch einig. Gutes Essen muss nicht fancy sein. Die Teller dürfen gefüllt ein. Wir lieben die traditionelle Küche. Wir stehen nicht auf leere Teller und gehen sich nicht gerne hungrig aus einem Restaurant. Hehe.
Ich? Ich will ans Wasser. Es zieht mich magisch an. UND einen Bauernhof. UND eine coole Umgebung für die Kiddos. Ich, ich muss es fühlen. Ich denke, es wird den Ort geben…. Der uns alles gefallen wird.
Am Ende müssen sich alle wohlfühlen. Das ist das Wichtigste.
Wir werden also unterwegs entscheiden, wo wir unsere neue Base bauen werden. Wo wir uns wohlfühlen werden. Vielleicht merken wir aber auch, dass wir uns geirrt haben und kommen zurück. Who knows.
Wer weiß das schon. „Wenn du es nicht probierst, dann kannst du es nicht wissen.“ Dies sagte meine Schwiegermutter immer.
Da wir uns hier abmelden, entfällt auch die Schulpflicht. Es gibt verschiedene Online Schulen und ich habe mir jetzt schon ein paar herausgepickt. Mal schauen, welche es am Ende wird. Wir werden testen und natürlich berichten.
Die Jungs sind pfiffig. Und werden alles lernen, was sie brauchen. Sie sind wissbegierig, neugierig und haben Lust neue Dinge zu lernen. Darüber machen wir uns keine Gedanken. Und mal ganz ehrlich. Was nutzt du heute noch aus der Schulzeit?
Ja. Wir haben und eine alte Feuerwehr gekauft. Alex baut sie gerade aus. Unser zweites Wohnmobil, was wir (also Alex 😂) selbst ausbauen. Warum sowas Großes? Weil wir auch noch 4 Hunde haben. Naja und sooooo viel Platz hat solch Fahrzeug auch nicht. Ich weiß nicht, wie lange du mir schon folgst, aber wir stehen halt auf große Autos. Ich kann mir Alex auch nicht in einem normalen Wohnmobil vorstellen 😬
Nein. Obwohl ich weiß, dass dieser Punkt kommen wird. Ich werde es bereuen. Schließlich haben wir hart gekämpft, bis wir mein Elternhaus kaufen konnten. Nein. Wir haben es nicht einfach Geschenk bekommen. Es war ein holpriger Weg. Aber… ich wollte es so.
Ich weiß, dass ich es bereuen werde. Kurz. Ich weiß auch, dass ich weinen werde. Ich sitze sehr oft hier und frage mich, was meine Großeltern gesagt hätten. Ich habe viel Zeit mit ihnen verbracht und durfte viel von ihnen lernen. Ich bin voller Demut. Es ist wirklich schön hier. Ich liebe viele Ecken am Haus. Der 50 Jahre alte Flieder im Garten. Das ist mein absolutes Highlight. Ich habe es geliebt, wenn der ganze Garten nach Flieder duftet.
Der große Walnussbaum. Unter dem haben wir immer mit unseren Freunden gesessen und die Kiddos beobachtet. Wie sie spielen. Und ich hab die Hühner verflucht, wenn sie mir wieder die Johannesbeeren weggefuttert haben. Hier lebte alles zusammen. Die Hühner liefen herum, die Hunde, die Katzen und ja auch Hasen. Alles eine große Gang. Die Kids mittendrin.
Ich werde es vermissen, dass die Hühner morgens an meine Haustür gepickt haben, weil sie Hunger hatten. Ich werde es vermissen, wie der Hahn in meiner Küche stand und wartete, bis etwas herunterfällt.
Ich werde meine Eltern vermissen, Schwiegereltern, den Familienclan und meine Freunde.
Ja… ich werde es vermissen. Aber ich weiß auch, dass ich meinen Platz finden werde. Dass wir unseren Platz finden werden. Den Ort, an dem wir neu starten und unsere Geschichte weiter schreiben werden.
Momentan ist der Kopf einfach voll. Die Gedanken sind ein reines Chaos und von der Gefühlsachterbahn wollen nicht sprechen. Von Vorfreude, über das Scheitern, Versagen, Angst, Glück… Alles ist dabei. Und auch das ist okay. Weil ich weiß, dass wir hier nicht das Leben leben können und nicht glücklich sind.
Chapter Haus. Hier. Schlagen wir zu und sagen einfach Danke.
Wir schlagen ab Februar ein neues Kapitel auf. Mal sehen, was uns erwartet.
love, Janine